Dienstag, 27. Januar 2004
rückkehr der SPINNER
jeppsen, 10:08h
"Das wird ja eine tolle "Echo"-Preisverleihung geben. Am 6. März versammeln sich im Berliner ICC wie jedes Jahr die aufgebrezelten Funktionäre der Musikindustrie zur Selbstbeweihräucherung. Hier wird der zweitwichtigste Pop-Award nach den Grammys - so die gänzlich unbescheidene Selbstdarstellung - vergeben und Showbiz-Granaten wie Daniel Küblböck oder Sarah Connor bekommen pfiffig geformte Trophäen ausgehändigt. Beim Aftershow-Essenfassen gibt es Majonäse-Eier, Sushi und auch mal ne Pulle Schampus oder drei. Doch irgendetwas ist anders als sonst. Die cheques and balances am Biertresen sind völlig aus dem Lot geraten. Wenn die gegenwärtige Entwicklung so anhält, wird ein großer Teil des höheren Managements der Majorlabels Universal Music, BMG, EMI, Warner Music und Sony Music, das 2002 noch über Millionendeals bestimmte, die Echo-Gala 2004 als entspannte Frührentner besuchen...
... Nach einer jüngst veröffentlichten Studie des US-Bankhauses Morgan Stanley über den amerikanischen Tonträgermarkt ist die Plattenindustrie für den Kapitalmarkt schlicht nicht mehr interessant. Die Banker weisen nach, dass der Produktlebenszyklus von physischen Tonträgern unweigerlich zu Ende ist. Und genau darauf sind die Strukturen der größeren Labels mit ihren Verwaltungs- und Marketing-Wasserköpfen ausgerichtet. Und darum müssen diese jetzt leider alle sterben. Sorry, aber is so!...
... Möglicherweise ein gar zu sonniger Ausblick. Doch bereits heute gibt es von der Schlaumeier-Techno-Manufaktur Kompakt über die Backcatalogue-Pfleger von Rhino Records bis zum unabhängigen Bochumer Musik-und-Comedy-Hörbuchlabel Roof/Tacheles dutzende erfolgreiche Geschäftsmodelle, die auch morgen noch existieren werden. Nur steht dort kein Ferrari-Testarossa vor der Tür, keine Sekretärin fährt Audi TT...
... All das mag der Grund dafür sein, dass der Abgang von Universal-Chef Tim Renner so hohe Wellen geschlagen hat. Eine Mischung aus Heiligenverehrung und dem Versuch, das Unerklärliche zu erklären. Der Highlander im schmutzigen Musikgeschäft tritt ab. Dabei hat Renner in seinen 17 Jahren im System auf der Basis eines hellen Kopfes lediglich Glück gehabt und die Charakterstärke bewiesen, halbwegs normal zu bleiben. Auch angesichts der gerade laufenden Prozesse im Falle Mannesmann/Vodafone wird sehr schnell klar, welche Leistung es für einen Topmanager bedeutet, in einer normalen Kneipe ein Bier zu bestellen, ohne dumm aufzufallen. Dass Pop - und Popmusik im Speziellen - gerade dabei ist, diese Managerkaste zu entsorgen (auch wenn daran die Exel-Tabellen in Gütersloh schuld sind), hätte man ihr auf die alten Tage gar nicht mehr zugetraut. Die Prophezeiung von Chuck D, eines anderen Visionärs, der selbst zu Hochzeiten von Public Enemy wohl nie Concorde geflogen ist, wird langsam, aber sicher zur Realität: Statt weltweit fünf Majors wird es sehr bald 500.000 bizarre Kleinstrukturen geben. Und dabei ist es nicht wichtig, wie schnell der Technologieschub via Internet oder Mobilfunk marktreif sein wird."
Rückkehr der Spinner (TAZ 23.01.2004)
... Nach einer jüngst veröffentlichten Studie des US-Bankhauses Morgan Stanley über den amerikanischen Tonträgermarkt ist die Plattenindustrie für den Kapitalmarkt schlicht nicht mehr interessant. Die Banker weisen nach, dass der Produktlebenszyklus von physischen Tonträgern unweigerlich zu Ende ist. Und genau darauf sind die Strukturen der größeren Labels mit ihren Verwaltungs- und Marketing-Wasserköpfen ausgerichtet. Und darum müssen diese jetzt leider alle sterben. Sorry, aber is so!...
... Möglicherweise ein gar zu sonniger Ausblick. Doch bereits heute gibt es von der Schlaumeier-Techno-Manufaktur Kompakt über die Backcatalogue-Pfleger von Rhino Records bis zum unabhängigen Bochumer Musik-und-Comedy-Hörbuchlabel Roof/Tacheles dutzende erfolgreiche Geschäftsmodelle, die auch morgen noch existieren werden. Nur steht dort kein Ferrari-Testarossa vor der Tür, keine Sekretärin fährt Audi TT...
... All das mag der Grund dafür sein, dass der Abgang von Universal-Chef Tim Renner so hohe Wellen geschlagen hat. Eine Mischung aus Heiligenverehrung und dem Versuch, das Unerklärliche zu erklären. Der Highlander im schmutzigen Musikgeschäft tritt ab. Dabei hat Renner in seinen 17 Jahren im System auf der Basis eines hellen Kopfes lediglich Glück gehabt und die Charakterstärke bewiesen, halbwegs normal zu bleiben. Auch angesichts der gerade laufenden Prozesse im Falle Mannesmann/Vodafone wird sehr schnell klar, welche Leistung es für einen Topmanager bedeutet, in einer normalen Kneipe ein Bier zu bestellen, ohne dumm aufzufallen. Dass Pop - und Popmusik im Speziellen - gerade dabei ist, diese Managerkaste zu entsorgen (auch wenn daran die Exel-Tabellen in Gütersloh schuld sind), hätte man ihr auf die alten Tage gar nicht mehr zugetraut. Die Prophezeiung von Chuck D, eines anderen Visionärs, der selbst zu Hochzeiten von Public Enemy wohl nie Concorde geflogen ist, wird langsam, aber sicher zur Realität: Statt weltweit fünf Majors wird es sehr bald 500.000 bizarre Kleinstrukturen geben. Und dabei ist es nicht wichtig, wie schnell der Technologieschub via Internet oder Mobilfunk marktreif sein wird."
Rückkehr der Spinner (TAZ 23.01.2004)
... comment

